Bismarck-Reiterstandbild
Bismarck-Reiterstandbild
Otto von Bismarck – da sitzt er fest im preußischen Sattel auf seinem ostelbischen Gaul, der Mann aus Bronze, unser ewiger Staatsgatte, der Übervater des Deutsch sprechenden Volkes, der einstige Zögling der „Plamannschen Anstalt“, wo man ihm im Internatsalter das Turnen vergrault hatte. Von seinem jugendlichen Leichtsinn will er allerdings nichts mehr wissen, ist er doch ein aufmüpfiger Junker gewesen: ein Bonvivant und ein Dostojewski’scher Spielschuldenmacher, aber mit einem Herzen stets am rechtskonservativen Fleck.
Und wie kam er bloß nach Bremen, um den Domvorplatz zu bewachen? Ein schlechter Reiter soll er doch gewesen sein, der ehemalige Deichhauptmann von der Elbe, der bereits im pommerschen Landtag den Sozialisten als reaktionärer Bajonettschärfer gegolten hatte.
… da sitzt er fest im preußischen Sattel …
Denn schaut genau hin, Ihr Flaneure: Alt ist er geworden, sehr alt, der erste Reichskanzler, Alfa und Omega am deutschen Himmel. Auf seinem Gaul ähnelt er unter der grünen Patina des 19. Jahrhunderts mehr einem Seepferdchen in einem Korallenriff als einem preußischen Shogun. Doch sein Blick ist immer noch streng und machtgierig. Er gilt dem altwürdigen Bremer Rathaus und seinen schlauen Kaufleuten. Unversöhnlich über den hanseatischen Verrat im Norddeutschen Bunde schenkt er dem Landesparlament der Bremischen Bürgerschaft zu seiner linken keine Beachtung – zu viel Demokratie, Sozialdemokratie, zu viel Grün!
Und auch dem Bremer Dom kehrt er den Rücken, der pietistische Katholikenjäger, der die Rückkehr des päpstlichen Diktats in Europa genauso stark gefürchtet hatte wie geheime Liebeleien und Axiome zwischen seinen ewigen Feinden: den Russen, Österreichern und Franzosen.
Da sitzt er nun fest im preußischen Sattel, der Lenker des Deutschen Reiches, der Überkanzler, der ergebene Diener Wilhelm des I., aber kein Sklave, sondern Beschützer der Deutschen im In- und Ausland. Mit der linken Hand hält er die Zügel, mit der rechten ein zusammengerolltes Konvolut.
… der Otto
von Bismarck!
Seine Reden können einfach nicht verstummen, unsterblich ist er geworden, nicht nur, weil er zwei Attentate überlebt hatte. Denn selbst zu Pferde hört man ihn unverfroren weiterreden! Und man fürchtet seine Reden bis heute, wovon die Volksversammlung in der Paulskirche ein Lied singen kann.
Hört also hin, Ihr Flaneure, wie er von seinem Gaul herab zum Volk wieder poltert: „Die Frankfurter Krone mag sehr glänzend sein, aber das Gold, welches dem Glanze Wahrheit verleiht, soll erst durch das Einschmelzen der preußischen Krone gewonnen werden.“
Oder er rezitiert immer wieder gerne die berühmte „Olmützer Punktation“: „(…) es ist eines großen Staates nicht würdig, für eine Sache zu streiten, die nicht seinem eigenen Interesse angehört. Zeigen Sie mir also, meine Herren, ein des Krieges würdiges Ziel …“
Selbst Nietzsche konnte sich an seinen Reden nicht sattlesen, doch die treuste Leserin war dem Deichmann und Reichskanzler seine Frau Johanna von Puttkamer. Für ihren Mann sprang sie ins Feuer, stand wieder einmal die „Deutsche Frage“ zur Debatte, und stolz war sie auf den Sieger über Napoleon III., auf den Kulturkampf gegen den vatikanischen Drang nach Macht und gegen die Unabhängigkeitsgelüste der Polen unterm preußischen Joch.
Wenig nützte also die Entlassung des Überkanzlers durch Kaiser Wilhelm II., dessen verkrüppelte linke Hand dem Lebe- und Deichmann von der Elbe lächerlich vorgekommen sein muss. Ihr Flaneure, Ihr seht doch selbst, dass er unverwüstlich ist – der Otto von Bismarck!
Artur Becker